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Hinter dem sperrigen Titel „Österreichische Jugendkulturwochen“ verbirgt sich eine Veranstaltungsreihe, die in Innsbruck kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Anfang nahm – mit dem erklärten Ziel, jener Jugend, die durch den Krieg ihre Jugend eigentlich verloren hatte, mittels kultureller Nahrung neue Hoffnung und Werte zu geben, Wiederaufbau und Identitätsstiftung auf kulturellem Gebiet zu fördern. Begünstigt wurde dies in Tirol speziell durch eine weltoffene und kulturell engagierte Politik der französichen Besatzungsmacht. Typisch für die Zeit ist wohl, dass eine Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit kein Thema war, man verdrängte und versuchte, Begriffe wie „Heimat“ u. ä. einfach kurzerhand wieder zu rehabilitieren, ungeachtet ihres Beschädigtseins durch die Nazis. 

Gegensätze

Initiator der Jugendkulturwochen war der damalige Landesjugendreferent Arthur Haidl (nach dem der 2004 gestiftete Arthur-Haidl-Preis benannnt ist, der „Projekte und Initiativen in den Bereichen Kultur, Jugend, Traditionspflege, Bildung und Geisteswissenschaften“, die einen „Beitrag zum Wohl und Ansehen der Stadt Innsbruck“ leisten, auszeichnet und mit 10.000 Euro dotiert ist), wobei das Team, sowie die Struktur der programmatischen und organisatorischen Arbeit im Laufe des zwanzigjährigen Bestehens der Veranstaltungsreihe wechselten. 

Kennzeichnend für die Jugendkulturwochen ist vor allem in den Anfängen eine oft kurios anmutende Mischung aus Volks- und Hochkultur, aus Laientum und Professionalität, aus Dilettantismus, Konservativismus und Aufgeschlossenheit gegenüber neuesten Strömungen. Teilweise beibehalten, machte dies aber auch den ganz eigenen Charme dieser Plattform aus, die sich zudem vor allem dadurch von vergleichbaren Unternehmungen in Österreich unterscheidet, dass sich in Innsbruck alljährlich Vertreter aller künstlerischer Sparten trafen, ihre Arbeiten präsentierten und in Kontakt miteinander kamen.

Podium für die Jungen

So entwickelte sich zunächst ein für jene Zeit bedeutendes und einmaliges Podium für viele „junge Schaffende“ vornehmlich aus Literatur, Musik, Bildender Kunst, Theater und Hörspiel (am Ende sollte die Architektur auch noch einbezogen werden), um im Lauf der letzten Jahre zusehends ein Ort zu werden, an dem sich Vertreter nicht nur der österreichischen sondern auch der internationalen Avantgarde trafen, ihre Arbeit und ihre Ideen präsentierten und im Rahmen von Arbeitskreisen und Vorträgen diskutierten. Einige der prägendsten und wichtigsten Persönlichkeiten in Österreich, was Musik, Literatur und Kunst betrifft, haben in den 50er und 60er Jahren in Innsbruck im Rahmen der „Österreichischen Jugendkulturwochen“ ihre ersten Auftritte, ihr erstes Podium gefunden.

Anhand der Programme lässt sich die Entwicklung anschaulich nachvollziehen: 

So finden sich in der ersten, 1950 veranstalteten Jugendkulturwoche sowie in den folgenden Jahren durchaus Veranstaltungen, die etwa mit „Volkstanz, Volkslied, Volksmusik“ betitelt waren, wurden das „Jugendsingen“ integriert und „Märchenstunden“ sowie Lesungen unter dem Motto „Junge Heimatdichtung“ geboten, auch „Festgottesdienste“, Blasmusik und „Maitanz“ fehlten nicht. Dennoch wurden aber von Anfang an neben Konzerten mit Etabliertem wie Bach, Beethoven, Verdi sowie Zeitgenossen, die als die einzig wahren Vertreter der Moderne galten wie Orff und Hindemith,  auch Werke von Komponisten der jüngsten Generation uraufgeführt, konnten junge österreichische Autoren sich in diversen Lesungen Gehör verschaffen und gab es bald schon Theateraufführungen mit zeitgenössischen Stoffen und experimentellem Charakter. Neue Formen wie Hörspiel und Radiokunst wurden zu einem wichtigen Bestandteil der Programme, auch Ausstellungen mit junger Kunst.

Proteste und Rebellion

Wesentlich ist auch, dass es Ausschreibungen gab, die österreichweit dazu aufforderten, Arbeiten einzusenden, die von einer Jury beurteilt, in späteren Jahren sogar mit Geldpreisen bedacht wurden. Konservative und progressive Kräfte traten im Rahmen der Jugendkkulturwochen immer wieder in Widerstreit, wobei im Lauf der Jahre verstärkt Innovatives gefördert und Unmutsäußerungen seitens Rezensenten und Publikum riskiert wurden. So sind zum Beispiel auch Tumulte belegt, die sich während Konzerten zugetragen haben. Auch die Tatsache, dass die junge Elfriede Jelinek in Innsbruck 1969 ihren ersten Literaturpreis erhielt, für das Prosafragment „Aus einem Illustriertenroman“, ein in der Presse als pornografisch verteufeltes Werk, das „unter Drogen“ geschrieben sein musste, sorgte für einen öffentlichen, auch über die Medien ausgetragenen Eklat. 

Das geschah allerdings schon in der Endphase der Jugendkulturwochen, nachdem diese längst zu einer professionell veranstalteten und die internationalen aktuellen Strömungen berücksichtigende Veranstaltungsreihe geworden waren. Was das tatsächliche Ende betrifft (die 21. Ausgabe wurde geplant, fand aber nicht mehr statt), so wurde zwar eine Protestaktion, ein „Skandal“ von jungen Teilnehmern bei der Eröffnung der 20. Jugendkulturwoche 1969, als Grund für das Ende vorgeschoben, darüber hinaus aber dürften wesentlich komplexere Zusammenhänge zur letztendlichen Absage der 21. Jugendkulturwoche geführt haben.

Austausch und Gemeinsames

Was alle Gewährsleute betonen ist der kommunikative, soziale Aspekt der Jugendkulturwochen – nicht wenige Freundschaften und künstlerische Kooperationen entstanden in Innsbruck im Rahmen dieser alljährlichen Treffen, sogar eines der berühmtesten Schriftstellerpaare – Friederike Mayröcker und Ernst Jandl – haben sich damals in Innsbruck kennen und lieben gelernt. Auch Friedrich Cerha, der Doyen der österreichischen Komponisten, einer der international wichtigsten Protagonisten der Neuen Musik, erinnert sich gerne an die Jugendkulturwochen, an denen er 1956  das erste Mal, zunächst als Geiger, dann aber bald auch als Komponist teilnahm, bis er später dann als Juror fungierte und die Programme mitgestaltete: 

„[…] Ich schätzte diese Jugendkulturwoche sehr und ich glaube, es war ein sehr sinnvolles und sehr notwendiges Unternehmen! Abgesehen davon, dass Literaten und Komponisten vorgestellt wurden, war es auch wichtig, dass sich die jungen, interessierten Kulturschaffenden dort einfach kennen gelernt haben. Es gab nächtelange Diskussionen – bei denen natürlich viel getrunken und viel gelacht wurde – die für spätere Kontakte und Freundschaften wichtig waren. Ich habe sehr viele Leute dort kennen gelernt – die Elfriede Jelinek z. B., den Ernst Kein, mit dem ich später dann die ‚Keintaten‘ geschrieben habe – unsere Freundschaft hat dort begonnen. Und natürlich bin ich dort auch Leuten aus dem Art Club wieder begegnet – Malern, auch Musikern, dem Gerhard Rühm z. B. Außerdem habe ich in Innsbruck Werner Pirchner kennen gelernt, mit dem ich ja später befreundet war.“ (Friedrich Cerha im Gespräch mit der Autorin, 9.6.2005).

Namen

Abschließend lässt sich feststellen, dass sich in den Listen der TeilnehmerInnen an den Österreichischen Jugendkulturwochen nicht wenige Namen finden, die mittlerweile zum Kanon der österreichischen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts gehören, nebst einigen international bedeutenden Persönlichkeiten, die nach Innsbruck zu Vorträgen, Diskussionen und Workshops eingeladen und deren Werke aufgeführt wurden, so z. B. György Ligeti, Luigi Nono, Mauricio Kagel, Konrad Boehmer u. a. m.

Zu Gast waren neben vielen anderen Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, Karl Krolow, Eugen Gomringer, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Marlen Haushofer, Thomas Bernhard, Elfriede Gerstl, Elfriede Jelinek, Gert Jonke, Barbara Frischmuth, H.C. Artmann, Bert Breit, Friedrich Cerha, Otto M. Zykan, Karl Schiske, Kurt Schwertsik, Erich Urbanner, Ivan Eröd, Istvan Zelenka, Giselher Smekal, Markus Prachensky, Robert Zeppel-Sperl, Peter Pongratz, Christian Ludwig Attersee, Martha Jungwirth, Ernst Caramelle, Peter Weiermair,….

Milena Meller

Quellen/ Weitere Infos:

Riccabona Christine, Wimmer Erika, Meller Milena: Ton Zeichen:Zeichen Sprünge: Die österreichischen Jugendkulturwochen 1950-1969 in Innsbruck. Innsbruck, 2006.