HAUS AM HAVEN
Eine Legende
Der Innsbrucker Haven war ein ehemaliges Kulturzentrum, am damaligen Retter Areal. Es bestand aus einem alternativen Wohn- und einem Kulturprojekt, welches einen Konzertsaal, Proberäume, ein Atelier und einen Kinoraum beinhaltete. Die unterschiedlichen Komponenten trugen die Namen: Haven, Trockendock und Flughafen. Der Träger des Projekts war der Verein Kulturkontraste. Zu dessen Gründungsmenschen gehörten Silke Gerull, Peter Tolloy, Alexandra Gruber, Barbara Biseck, Gabriele Schober, (die Vorstandsmitglieder) und ein aus 24 Personen bestehendes Kuratorium. Diesem Kuratorium gehörten u. a. Daniel Fügenschuh, Andreas Jenewein, Bernhard Eller, Michael Hohenegger, Gernot Wurnig, Elmar Schaber, Franz Strasser, Peter Riedelsberger, Sabine Matscher und Peter Hofer an. Der Vorstand wechselte abwechselnd und wurde von zwei Leuten übernommen.
Vorgeschichte
Nach dem Ende des AKT im Januar 1987 bestand die dringende Notwendigkeit neue Räumlichkeiten zu schaffen. Es fehlte an Treffpunkten sowie Probe- und Veranstaltungsmöglichkeiten, einfach an kritischen Gegenorten in Innsbruck. Das damalige Retterareal (ein ehemaliges Sägewerk) am Ende der Stadt war daher bestens geeignet. Es befand sich an der gleichen Stelle an der heute das VAZ Hafen zu finden ist, im Zwickel zwischen Autobahn-Abfahrt West, dem Inn und der Karwendelbahn. Das Havengelände wurde schließlich 1989 vom Verein Kulturkontraste angemietet. In der Haveneigenen Zeitschrift „Havenpress“, präsentierte sich der Verein Kulturkontraste wie folgt: „Der Verein Kulturkontraste versteht sich als offener Zusammenschluß von KulturarbeiterInnen die das HAUS AM HAFEN für ihre Interessen angemietet haben.“
Die Anlage konnte von dem schon vorher im Haven beheimateten Verein Tonart günstig übernommen werden. Das war dann auch der Startschuss für eine der damals wichtigsten Anlaufstellen für Subkultur in Österreich bzw. im Besonderen in Westösterreich. Neben dem Trägerverein Kulturkontraste waren mehrere Initiativen, und Vereine beteiligt: 90er, Tonart, Trümmer, Innpuls, il buoni e i cattivi, bureau diderot, cunst&co, etc.
Zwischen Anspruch und Realität
Von Anfang an war der Haven ein Ort, der sein Kulturverständnis von Kommerz und Brauchtumskultur abgrenzte. Der Haven selbst bekam nur wenig Subventionen, vor allem weil der Ort der ÖVP-Stadtregierung ein Dorn im Auge war und als nicht unterstützenswert galt. Im Haven selbst war der Einfluss der Punk Szene sehr stark, jedoch war der Haven ein Ort für sämtliche (sub-)kulturelle Strömungen wie z. B. der damals aufkommenden Technoszene. Innerhalb von Österreich gab es aktive Kooperationen mit dem Wiener EKH, der Arena, dem FLEX, der Linzer KAPU und dem damals noch bestehenden Veranstaltungszentrum Kanal in Schwertberg. Wie so oft gab es in Innsbruck für ein „anderes“ Kulturverständnis viel Gegenwind. Teile des Geländes mussten abgetreten werden, z. B. für einen Motorradübungsplatz für die Fahrschule Eigenstiller und ungefähr die Hälfte der Werkstätten und Lagerhallen mussten dem neu angelegten Parkplatz des benachbarten WIFI weichen. Außerdem gab es keine finanzielle Unterstützung der Stadt Innsbruck mehr. Trotzdem wurde der existierende Schuldenberg von 100.000 Schilling innerhalb von einem Jahr auf einen minimalen Rest abgebaut. Für den Restbetrag gab es keine Unterstützung von Seiten des Kulturamts.
Aus dieser tristen Situation heraus mobilisierten die Havenbetreiber_innen, denn Innsbruck sollte unbedingt „Havenstadt“ bleiben (Anlehnung an die besetzte Hafenstraße in Hamburg)! Es kam zu Unterschriftenaktionen und Infoständen in der gesamten Stadt, sowie aktiver Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus wurde ein neues umfassendes Konzept erstellt, welches unter anderem vorsah, die Havenzeile (4 Gebäude) als Kulturzentrum zu erhalten und im restlichen Teil des Geländes, zwischen dem geplanten Fahrschulübungsplatz und einem möglichen Stadtgarten, einen Skateboardplatz aufzustellen. Doch das half alles nichts. Stattdessen rückte eine mögliche Räumung bzw. Schließung des Havens immer näher und das, obwohl noch im April 1991 ein erst nicht benutztes Gebäude (der so genannte Flughafen) neu angemietet worden ist. Doch der baldige Ablauf des Mietvertrages sowie der politische Druck vonseiten der ÖVP, die mit dem Motto warb „Innsbruck darf nicht Hafenstadt werden“, schienen das Ende des Havens zu besiegeln. Mit der Zeit vermischte sich auch das Publikum, zunehmend fanden Konsument_innen von harten Drogen Unterschlupf. Außerdem konnte ohne finanzielle Unterstützung die Miete nicht mehr bezahlt werden. In der Öffentlichkeit war der Haven durch die „bürgerliche“ Presse nur mehr als ein Sammelsurium von Drogensüchtigen und Sandler_innen bekannt. Zum Schluss lebten noch etwa 15 Leute im Haven. Pünktlich zum Räumungstermin am 1. Oktober 1993 wurde durch Bagger und Caterpillar das bis dahin erfolgreichste alternative Wohn- und Kulturprojekt in Innsbruck dem Erdboden gleich gemacht.
Fazit
Im Haven fanden in seinen vier Jahren mehr als 600 Veranstaltungen statt, davon waren ca. 60 Kinoabende und ca. 400 Konzerte. Der Haven war einer der (kultur-) politisch wichtigsten Orte in Tirol, die sich durch nicht-kommerzielle, gegenkulturelle Kulturarbeit ausgezeichnet haben. Jährlich besuchten ca. 7000 Besucher_innen den Haven. Das zeigt welche wichtiges Loch der Haven füllte und was für ein Vakuum dieser nach seiner Schließung wieder hinterließ.
Maurice Munisch Kumar
Quellen
Sanders Gregor: Diplomarbeit/Soziale Bewegungen in Tirol. Zwischen Kultur schaffen und Widerstand. Innsbruck, 2010.
Links
> haven::haven++ Haus am Haven Reminder Website
> Havenpress - Die Havenzeitung auf austrian literature online