KOMM
KOMM 2015

Kultur- und Kommunikationszentrum

Oktober 1978 - März 1985

Innsbruck, Josef Hirnstrasse 7

heute: Studia Services

Träger:
Kulturreferat der Österreichischen Hochschülerschaft Innsbruck

Komm

Am Anfang war die Vision

Die damaligem Kulturreferenten der ÖH (Österreichische Hochschülerschaft) Claudius Baumann und Norbert Pleifer haben die Idee, ein selbstverwaltetes Kulturzentrum nach dem Vorbild des KOMM in Nürnberg in Innsbruck zu schaffen: Einen sozialen und politischen Freiraum zu etablieren, der unterschiedliche Menschen verschiedenster sozialer und kultureller Herkunft ansprechen soll.

1978 ist es soweit. Es kommt zur Eröffnung des damals größten autonomen und selbstverwalteten Kulturzentrums Westösterreichs. Ein paar Jahre zuvor gibt es um die Ecke schon einmal den Versuch, ein studentisches Kulturzentrum in den Räumlichkeiten der Katholischen Hochschuljugend zu errichten, das Offene Zentrum. Abgesehen von diesem Versuch, ist die Freizeitsituation der Student_innen und überhaupt für alternativ orientierte Menschen in Innsbruck trist. Schon damals gelten die Hauptinteressen der Stadt Innsbruck den Tourist_innen. Daher entschließt sich eine Gruppe von Student_innen eine Freizeiteinrichtung der Hochschülerschaft an der Universität Innsbruck zu etablieren. Im Gebäude der heutigen Mensa am Innrain ist das KOMM beheimatet. Im Fokus des neuen Zentrums steht eine politische, kulturelle und soziale Auseinandersetzung. Konkret heißt das für die Gründer_innen sich gesellschaftliche Zusammenhänge und Gegensätze bewusst zu machen, die Interessen politisch Benachteiligter zu vertreten sowie Mitverantwortung und Mitbestimmung aktiv zu er/leben. Die Organisationsstruktur obliegt dem Hauptausschuss (HA), der die Arbeit vorwiegend durch Subventionen, Projektmittel der ÖH sowie Spenden sicherstellt. Die Organisationsstruktur, die basisdemokratisch organisiert ist, stellt darüber hinaus sicher, dass jede/r KOMM Besucher_in die Möglichkeit hat sich, aktiv einzubringen. Das KOMM wird in Selbstverwaltung geführt.

Gruppen im KOMM:

Initiativgruppe „behinderte-nichtbehinderte“

Lerngruppen

Theatergruppe

Kooperative Wohngemeinschaft

ARGE für soziale Psychiatrie Innsbruck

Amnesty International

Innsbrucker Frauenzentrum

Blinzelnde Eule

KOMM Fotogruppe

Innsbrucker Programmkino (Sprungbrett für das damals entstehende Cinematograph-Kino, welches damals noch in der Schöpfstraße beheimatet ist)

Arbeitskritische Medizin Innsbruck (AKM) 

Autorengruppe Föhn

Das KOMM ist nicht nur ein Ort für studentische Gruppen, sondern auch für Migrant_innen wie z.B. die ATIGIF (Türkischer Arbeiter_innen-Verein). Neben türkischer Folklore gibt es Referate, Diskussionen und Vorträge zur aktuellen Situation in der Türkei unter dem Militärregime sowie über die Situation der Gastarbeiter_innen.

Doch die meisten Gruppen verlassen bis zum Winter 1981 das KOMM. Denn der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten veranlasst viele nach geeigneten Alternativen zu suchen. Darin spiegelt sich auch die Schwierigkeiten der räumlichen Situation des KOMM wider. Es gibt nur einen großen Raum, in dem sowohl Bar- als auch Veranstaltungsbetrieb stattfinden. 

Der Bruch

Mit der Zeit bilden sich im KOMM zwei Gruppen: die aus aktiven KOMM Besucher_innen, die sich sehr stark mit dem KOMM identifizieren und jene, für die das KOMM mehr ein Lokal, ein Treffpunkt ist. Letztere fühlen sich somit nicht verantwortlich für das KOMM. Es enstehen Spannungen und Streitigkeiten zwischen den Gruppen. Inzwischen hat Norbert Pleifer das KOMM verlassen und gründet zusammen mit anderen Interessierten den Kulturverein Kunstdünger. Dieser eröffnet kurze Zeit später das erste „Treibhaus“ in Pradl: ein Stadtteilzentrum. Im KOMM etabliert sich inzwischen eine neue Gruppe. Damit verbunden ist ein Besucher_innenaustausch und neue Einflüsse: Menschen die vorher nicht im KOMM waren, kommen und umgekehrt. Es entstehen neue subkulturelle Strömungen. Statt Jazz ist nun Punk und New Wave zu hören. Problematisch wird das entstandene Schuldenloch von 100.000 Schiling Die ÖH reagiert daher auf das neue KOMM mit Subventionskürzungen und sperrt das Konto, zu dem Norbert Pleifer zuvor noch freien Zugang hatte. Das führt zu Problemen, den laufenden Betrieb zu erhalten.

Das Ende

Im Jahre 1985 kommt es zur Schließung des KOMM aufgrund der schon länger schlechter gewordenen Beziehungen mit der ÖH und des vermehrten Drucks von Seiten der ÖVP-nahen AG (Aktionsgemeinschaft), die das Zentrum mit diversen Anschuldigungen wie z.B. dem Konsum von Drogen konfrontiert. In den Weihnachtsferien 1984/1985 werden die Schlösser ausgetauscht, was in der Folge zum endgültigen Ende des KOMM führte. Bis dahin war das KOMM kulturell und politisch ein einzigartiges Zentrum, nicht nur in Innsbruck, sondern überhaupt in Westösterreich. Zuvor gab es nirgends in Innsbruck einen Ort – abseits von Brauchtum und Hochkultur –, der über so einen langen Zeitraum ein alternatives Kulturprogramm bot und Raum für linke Gesellschaftspolitik ermöglichte. 

Maurice Munisch Kumar

 

Quellen/Weitere Infos:

Hiltpolt Christian: Dissertation/KOMM – Eine Geschichte der Subjektivität. Innsbruck. 1985.

Sanders Gregor: Diplomarbeit/Soziale Bewegungen in Tirol. Zwischen Kultur schaffen und Widerstand. Innsbruck, 2010.

muecke