Das Desinfarkt ist der Versuch der Errichtung eines autonomen (Jugend-) Zentrums in Innsbruck, in einer Zeit, in der autonome Zentren in Europa populär sind. Trotz dieser Tatsache sind viele dieser Orte von Seiten des Staates bedroht, wie z. B. das KOMM im Nürnberg, das GAGA (Gassergasse) in Wien und das bekannte Autonome Jugendzentrum in Zürich.
Auch in Innsbruck gibt es eine Gruppe von jungen Menschen, größtenteils junge Männer, die sich ihr eigenes Zentrum wünschen. Es ist eine Gruppe, die sich bis dahin regelmäßig in der Innsbrucker Altstadt trifft: Alternativ aussehende und denkende Menschen, beeinflusst von der damaligen Punkkultur und der autonomen Bewegung. Doch diese Gruppe ist von Seiten der damaligen Gewerbetreibenden in der Altstadt nicht erwünscht, da sie das Bild für die Tourist_innen stört. Deshalb gibt es regelmäßig Polizeibesuche, um der Gruppe das Leben schwer zu machen. Daher entschliessen sie sich einen eigenen Ort für sich in Anspruch zu nehmen. Doch das gestaltet sich schwieriger als zunächst gedacht: Denn aufgrund des knappen Budgets und des nicht konformen Aussehens ergeben sich kaum realistische Möglichkeiten. Es tut sich zwar kurz ein Haus in Völs auf, doch durch die nachhaltige Intervention von Seiten des Nachbarn ist nach eineinhalb Monaten das kurze Vergnügen vorbei. Deshalb begibt man sich auf weitere Raumsuche. Vor allem will die Gruppe einen Ort, der zentraler liegen sollte und somit von allen leichter zu erreichen ist. 1982 wird ein eigener Verein gegründet: Autonome Jugend Innsbruck. Den Namen Desinfarkt entnimmt man einem Zeitungsartikel von Herbert Buzas in der Tiroler Tageszeitung, der die Altstadtgruppe als „verlauste Typen“ bezeichnet, von denen man sich „desinfizieren“ müsse. Zuerst denkt man an Desinfekt aber aus stilistischen Gründen entscheidet man sich für Desinfarkt. Die anfängliche Truppe besteht aus: Ernst Koder, Peter Scoz, Bertram Mostler. Dazugestoßen sind dann weiters Angelika Hule, Ekkehard Ehrl, Susanne Haditzel, Lackner Markus und Christina Schweighofer.
In der Altstadt, genauer in der Badgasse, findet man schließlich einen Ort, der geeignet ist. Diese Gasse ist einer der wenigen Straßen in der Altstadt, die für den Tourismus noch nicht revitalisert wurde. Gegenüber – wo sich heute das Café Moustache befindet – steht damals noch eine Ruine. Doch der Traum eines eigenen Ortes ist nun Wirklichkeit. Trotzdem muss man immer noch mit den Behörden kämpfen, z. B. werden die anfänglichen Juxstatuten nicht anerkannt und als Folge der Nicht-Ernstnahme der Statuten erschwert man seitens der Behörden die Vereinsgründung. Mit 1. Januar 1982 beginnt offiziell der Mietvertrag, auch wenn die Räumlichkeiten schon vorher bezogen werden dürfen. Der neue Ort, eine ehemalige Schlosserei, ist in zwei Bereiche geteilt: einen Kommunikations- und einen Bastel-/Werkraum.
Das neue Zentrum sollt ein Treffpunkt für jeden Menschen sein, der an der Idee eines offenen Hauses, das sowohl für Basteleien, politische Diskussionen als auch als konsumfreier Ort bzw. ohne Zwang funktionieren soll, gefallen finden. Wichtig ist auch für alle Beteiligten, keine Subventionen anzufordern und sich von dem studentischen Kommunikationszentrum (KOMM) und den Jugendzentren Z6 und MK abzugrenzen, um – wie sie es nennen – „nicht verwaltet zu werden.“
Am Anfang ist das Desinfarkt ein vielfältiger Treffpunkt: Reparatur- und Fahrradworkshop, Kasperltheater für Kinder (nur einmalig) und Diskussionsraum. Das damalige Vereinsrecht sieht vor, dass die Statuten öffentlich sichtbar für alle Mitglieder ausgehängt werden müssen. Als Zeichen des stillen Protests gegen die staatlichen Obrigkeiten entschließt man sich die Statuen am Klo aufzuhängen.
Die offizielle Einstandsparty findet am 24. Januar 1982 statt und nach dem ersten Monat gibt es bereits 300 Mitglieder. Doch das Desinfarkt hat von Anfang an mit zahlreichen Problemen zu kämpfen: Einerseits genug Einnahmen zusammenzubekommen für die anfallenden Miet- und Betriebskosten. Daher ist man stark auf die Einnahmen der Bar angewiesen, was wiederum heißt, man braucht genug Besucher_innen im Desinfarkt. Andererseits ist eine Folge davon, dass alle möglichen Gruppen und Personen, die sonst nirgends erwünscht sind, sich dort aufhalten. Das fordert die Idee des Desinfarkts heraus. Denn zunehmend werden auch illegalisierte Substanzen konsumiert und einige kamen nur wegen der günstigen Getränke. Dadurch rückt das kulturpolitische Interesse in den Hintergrund. In der Folge werden auch die Einnahmen gestohlen, was dazu führt, um eine einmalige Subvention anzusuchen (7000 Schilling!).
Die Stadt Innsbruck und ihrer Behörden sowie der Polizei ist das Desinfarkt ein Dorn in Auge. Die Behörden verlangen z. B. getrennte Toiletten für Männer und Frauen. Die Lebensmittelpolizei geht gegen den Toastverkauf und das Gewerbeamt gegen unerlaubte Gewerbeausübungen vor. Die Polizei macht anfangs Drogenrazzien, die Presse wettert gegen das Desinfarkt und die regelmäßigen Besuche der Drogenpolizei sowie die Ruhestörungsanzeigen und folglich die Mietschulden bereiten dem Desinfarkt im März 1983 ein frühes Ende.
Maurice Munisch Kumar
Quellen/Weitere Infos:
Melcher Friedrich: Dissertation/Das "Desinfarkt" - eine "Bauhütte autonomer Jugendkultur“. Analyse des Scheitern eines Innsbrucker autonomen Jugendclubs. Innsbruck, 1988.